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haltlose Hitler-Argumentationen

Dieser Aufsatz hat sich nachträglich als die 1. empirische Übung zum Projekt Argumentation herausgestellt. Deswegen ist er nicht dort aufgeführt, sondern hier bei den div. Spezial-Themen belassen.

 

Mir wurden vor einiger Zeit  4 Schallplatten mit Hitler-Reden ausgeliehen. Die Platten stammten aus den 60er Jahren, waren aber offenbar nicht in Deutschland hergestellt, da sie vermutlich hier unter das Verdikt der Nazi-Propaganda gefallen wären. (Es war, glaube ich, Liechtenstein als Verkaufsort der Platten angegeben). Ich halte die Reden für authentisch. Ich habe bisher auch noch nicht gehört, daß es gefälschte Hitler-Reden gibt. - Schon seit meiner sozialwissenschaftlichen Studienzeit habe ich mich mit typischen ideologischen Argumentationsmustern befaßt, versuchte sie zu sammeln und zu klassifizieren. Es sind damit falsche Argumentationen gemeint, die nicht einfach auf Irrtum beruhen, sondern einen Zweck erfüllen bzw. eine soziale Funktion haben. Beim Anhören der Reden Hitlers sind mir die im Folgenden aufgeführten systematisch falschen Argumentationen Hitlers aufgefallen.

 

(Manfred Aulbach, Februar 2007).

 

 

Haltlose Hitler-Argumentationen (1)

 

1a. Rede im Sportpalast am 10.02.1933 (1.Teil)

 

Hitler versucht in dieser Rede, alle Probleme der Weimarer Republik als Schuld der Marxisten hinzustellen. Besonders klar als falsch erweislich ist die folgende Stelle:

 

ab 18.36 Min bis 19.36 Min

 

  • 14 Jahre herrscht heute diese Partei. 14 Jahre herrscht diese Weltanschauung. Manches Mal vielleicht unverhüllt, manches Mal schamhaft verdeckt. Aber im Kern immer noch der selbe Geist, den Sie tausendfältig überall sehen. Und die Ergebnisse, sie sind grauenhaft. Ich will nicht die Vergangenheit nehmen und mich [1 Wort unverständlich] an dieser Vergangenheit, sondern will nur nehmen diese 15 Jahre, die hinter uns liegen. Angefangen von dem Tage an dem hier in Deutschland der Munitionsstreik ausbrach, übergehend dann endlich zu dem Tage, da die rote Fahne gehißt wurde und die Revolution unser Volk verwirrte...

Dazu ist folgendes zu bemerken: Die Marxisten hatten keineswegs 14 Jahre lang die Macht in der Weimarer Republik - weder in der Politik und erst recht nicht in der Wirtschaft. Indem Hitler die bürgerliche Welt der Weimarer Republik mit den marxistischen Parteien undifferenziert in einen Topf wirft, kann er alle Parteien und politischen Institutionen der Republik durch diesen Argumentationstrick der  falschen Identifizierung - vor seinem fanatischen Anhang scheinbar gerechtfertigt – verbieten.

 

Es gab folgende Reichskanzler:

 

Scheidemann (SPD), 1919. Er hatte sich gegen die Unterzeichnung des Versailler Vertrages festgelegt - eher, so sagte er, sollte ihm die Hand verdorren. Deswegen trat er zurück. (Quelle: Wikipedia)

Bauer (SPD), 1920

Müller (SPD), 1920 und 1928-1930

Fehrenbach (Zentrum), 1920-1921

Wirth (Zentrum), 1921-1922

Cuno (parteilos), 1922. Nach dem Rücktritt Joseph Wirths bildete Cuno ein der politischen Mitte zuzuordnendes „Kabinett der Wirtschaft“, das von Zentrumspartei und Deutscher Volkspartei gestützt wurde. (Quelle: Wikipedia)

Stresemann, DVP, 1923. Die in Versailles beschlossene Friedensordnung lehnte er als unzumutbar ab. In diesem Vertrag sah er die Entehrung Deutschlands. Aber die moralische Komponente des Vertrages wog für ihn weniger schwer als die wirtschaftlichen und territorialen Konsequenzen. Bezüglich der neuen deutschen Ostgrenzen waren es Zweifel an der historischen Richtigkeit und sicherheitspolitische Überlegungen gegenüber Polen, die ihn zum Gegner der Regelungen werden ließen. Obwohl Stresemann den Versailler Vertrag ablehnte, war er nicht bereit, die Verantwortung für eine Ablehnung dieses Vertrages zu übernehmen, die unzweifelhaft eine militärische Intervention der Alliierten nach sich gezogen hätte. Er kam zu der Einsicht, daß die Wahrung und Durchsetzung der deutschen Interessen nicht gegen, sondern nur auf der Grundlage der neuen Friedensordnung zu erreichen waren. Als Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und des Reichstages betrieb er so genannte Realpolitik und trat, wie er später selbst sagte, aus Vernunftgründen für die Republik ein. (Quelle: Wikipedia)

Marx (Zentrum), 1923-1924 und 1926

Luther (Koalition), 1925. Er führte  als Reichskanzler eine bürgerliche Koalitionsregierung an, der außer Zentrum, DDP und DVP auch die rechtsnationale DNVP angehörte. Die Koalition zerbrach nach der Unterzeichnung des Locarno-Pakts durch den Austritt der DNVP, bis Mai 1926 amtierte Luther noch als Regierungschef einer bürgerlichen Minderheitskoalition. (Quelle: Wikipedia)

Brüning (Zentrum), 1930-1932

Papen (Zentrum), 1932

Schleicher (parteilos), 1932-1933. Nach ergebnislosen Verhandlungen mit Adolf Hitler über eine Regierungsbeteiligung der NSDAP wurde Schleicher am 3. Dezember 1932 von Hindenburg zum Reichskanzler berufen und mit der Bildung eines neuen Präsidialkabinetts beauftragt. Hinter dem Rücken von Schleicher verhandelte Papen im Auftrag von Hindenburg mit Hitler über dessen Berufung zum Reichskanzler. Schleicher erklärte am 28. Januar 1933 nach einem Gespräch mit Hindenburg den Rücktritt seiner Regierung und empfahl die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Von Schleicher wurde am 30. Juni 1934 im Zuge der Niederschlagung des vorgeblichen „Röhm-Putsches“ gemeinsam mit seiner Ehefrau von einem Kommando der SS in seinem Haus in Neubabelsberg erschossen. (Quelle: Wikipedia)

 

 

1b. Rede im Sportpalast am 10.02.1933 (2.Teil)

 

Hitler behauptet, er und seine Partei seien im Besitz des Wissens um ewig gültige Gesetze. Dieses Wissen setzt er in Gegensatz zu „blassen Theorien“. Er ist, zusammen mit der Masse seiner Anhänger, offenbar zu ungebildet, um zu erkennen, daß ewig gültige Gesetze (denn er meint offenbar keine juristischen Gesetze, sondern „die Gesetze des Lebens“) selber wiederum Teil einer Theorie sind, so wie Newtons ewig gültige Gesetze Teil seiner physikalischen Theorie darstellten. Gesetzesaussagen haben, wenn man sie logisch exakt formuliert, die Form einer All-Aussage über einen Gegenstandsbereich: Für alle Gegenstände x gilt der Tatbestand y, wenn dies und jenes der Fall ist (Randbedingung). Die großartige Gesetzeserkenntnis Hitlers besteht offenbar in Folgendem:

 

Für alle Grundlagen unseres Lebens gilt: sie beruhen auf zwei Faktoren: Volk und Raum. – So gültig diese Aussage sein mag, so ist sie in ihrer übermäßigen Allgemeingültigkeit einfach nur Wischi-Waschi-Geschwätz. Etwa wie die Behauptung: ohne Luft zum Atmen würden wir alle ersticken. Was will man damit politisch eigentlich konkret anfangen? Man merkt die theoretische Borniertheit des Hitlerschen Ingeniums.

 

ab 6.25 Min bis 8.34 Min

 

  • Und ein vierter Punkt dieses Programms lautet dann: Die Gesetze des Lebens sind immer gleich und immer dieselben. Und wir wollen den Aufbau dieses Volkes vornehmen nicht nach blassen Theorien, die irgendein fremdes Gehirn ersinnt, sondern nach den ewigen Gesetzen, die die Erfahrung, die Geschichte uns zeigt und die wir kennen. Das heißt also im Leben, politisch und wirtschaftlich gesehen, gibt es bestimmte Gesetze, die immer Geltung besitzen. Und nach diesen Gesetzen wollen wir den Aufbau des deutschen Volkes durchführen. Nicht nach blassen Theorien, nicht nach blassen Vorstellungen. Und diese Gesetze, die fassen wir in einem fünften Punkt in einer Erkenntnis zusammen: Die Grundlagen unseres Lebens beruhen auf zwei Faktoren, die niemand uns rauben kann, außer wir selbst [3 Worte unverständlich]: in unserem Volk als Substanz von Fleisch und Blut, von Wille und Ingenium und in unserem Boden. Volk und Erde, das sind die beiden Wurzeln, aus denen wir unsere Kraft ziehen wollen und auf denen wir unsere Entschlüsse aufzubauen gedenken. [Beifall]. Und damit ergibt sich als sechster Punkt klar das Ziel unseres Kampfes: Die Erhaltung dieses Volkes und dieses Bodens.

 

Paradoxerweise hat dieser „Kampf“ schließlich und endlich ziemlich viel vom Gegenteil erreicht. Wenn man jedoch die Hitlersche theoretische Borniertheit –  die auch großenteils von den meisten seiner Anhänger geteilt wurde -   in Rechnung stellt, so löst sich das Paradox wieder auf.

Die Haltlosigkeit der obigen Argumentation besteht darin, daß erstens eine Binsenwahrheit zu einer tiefschürfenden Erkenntnis (oder gar zu einer ganzen Reihe davon) aufgebläht wird (aus einer Mücke wird ein Elefant gemacht), was noch zweitens dadurch verschärft wird, daß diese sog. “ewigen Gesetze” in einen konträren Gegensatz zu “Theorien” gesetzt werden, die als “blaß” denunziert werden. Letzteres ist der typische ideologische Argumentationsvorgang der falschen Polarisierung (Nullsummenargumentation). In diesem obigen Fall wird eine sozusagen instinktmäßige Erkenntnis vs. theoretische Erkenntnis gesetzt. Die theoretische Erkenntnis wird zudem noch “fremden” Gehirnen zugeschrieben. Gemeint ist aller Wahrscheinlichkeit nach, daß  blasse Theorien entweder von (philosemitischen) Intellektuellen oder gar von Juden selber  “ersonnen” werden. Es wird bei dieser Argumentation in der Schwebe gehalten, ob alle Theorien blaß sind oder nur bestimmte. Jedoch läßt sich annehmen, daß bei Hitler und seinen Anhängern ‘Theoretisiererei’ generell unter Verdacht steht.

 

 

Haltlose Hitler-Argumentationen (2)

 

2a-Hitler spricht - Reichstag 23.3.33 (Ermächtigungsgesetz)

 

Ab 16.05 Min bis 16.37 Min

 

  • Sie [gemeint ist der Abg. Wels von der SPD, der vor Hitler sprach; Anm.Verf.] sagen weiter, daß die Kritik heilsam sei. Gewiß, wer Deutschland liebt mag uns kritisieren, wer eine Internationale anbetet kann uns nicht kritisieren. [Lang anhaltender Beifall und Rufe].

Mit der Kritik ist das so eine Sache. Wenn sie wirklich Kritik ist und nicht eine mehr oder minder kaschierte Form von Lobhudelei, so stammt sie immer von einem Wertstandpunkt, von einer Sichtweise, die nicht die meine ist. Man kann sich die Kritik nicht aussuchen nach dem eigenen Wertstandpunkt und dem eigenen Horizont. Dann wäre sie keine Kritik mehr. Die Argumentation Hitlers, die er hier gegen Wels verwendet, ist eine Art Ungeschehenmachen der Kritik, indem der Wertstandpunkt dieser Kritik von Wels und seinesgleichen als vollkommen indiskutabel angesehen wird, weil er nicht mit dem eigenen Wertstandpunkt übereinstimmt. – Es geht also eigentlich nicht mehr um die Diskussion und Begutachtung von Behauptungen, beispielsweise Tatsachenbehauptungen, sondern schlicht um Ungeschehenmachen nach dem Motto: „Von Dir und Deinesgleichen laß ich mir schon mal  von vornherein gar nix sagen!“ Am Ende noch mit dem Zusatz: „Das sind sowieso alles Lügen.“ – Es ist natürlich klar: wer so mit relevanter Kritik umgeht, ist im eigentlichen Sinne lernunfähig. Hitlers späterer Umgang mit seinen eigenen Militärs im 2. Weltkrieg verdeutlicht dies auf krasse Weise. Er war dadurch im Grunde der beste Verbündete der Alliierten.

 

Die Unlauterkeit der Argumentation liegt hier darin, daß eine gewisse Handlung X durch die Forderung der Einschränkung soweit blockiert würde, daß sie eigentlich nicht mehr X zu nennen wäre. Die geforderte Einschränkung würde X weitgehend ad absurdum führen. Es würde sich, wenn die Forderung erfüllt wäre, kaum noch um X handeln, sondern eigentlich um etwas Anderes. So z.B. war der ehemalige Staatsratsvorsitzende der DDR, Honecker, durchaus für Beat (“Bit-Musik”), wenn es sich um eine “gepflegte” Bit-Musik handeln würde. Auch wird die Meinungsfreiheit gerne soweit eingeschränkt, daß sich kaum noch jemand getraut ‘sein Maul aufzureißen’ oder “die unverblümte Wahrheit” zu sagen. Man kann dann schwerlich noch von Meinungsfreiheit im eigentlichen Sinne reden.

 

Ab 17.17 Min bis 19.21 Min

 

  • Sie beklagen, daß die Welt am Ende auch unwirkliche Tatsachen erfährt über die Zustände in Deutschland. Weiter also zu beklagen, daß man der Welt mitteilt, jeden Tag würden so an den israelitischen Friedhöfen in Berlin zerstückelte Leichname abgeliefert. Es beklemmt Sie das. Sie möchten so gerne der Wahrheit die Ehre geben. Oh, Herr Abgeordneter, Ihrer Partei mit ihren internationalen Beziehungen müßte es spielend leicht sein, die Wahrheit über diese Beziehungen [gemeint ist offenbar: mit Hilfe dieser Beziehungen; Anm.Verf.] sofort richtig zu stellen [Beifall]. Und nicht nur das. Ich lese in diesen Tagen die Zeitungen Ihrer eigenen sozialdemokratischen Bruderparteien. In Deutsch-Österreich: Niemand hindert Sie, dorthin Ihre Erkenntnis der Wahrheit zu verbreiten. Ich werde neugierig sein, inwieweit die Kraft Ihrer internationalen Bindungen auch hier wirksam werden. Ich darf, wollen Sie mich bitte sprechen lassen, ich habe Sie nicht unterbrochen. - Ich habe Ihre Zeitungen im Saargebiet gelesen, Herr Abgeordneter. Und dieses Blatt treibt nichts anderes als dauernden Landesverrat an Deutschland [Beifall, Zwischenrufe] [zwei Worte unverständlich]. Versucht dauernd, dem Ausland gegenüber, Deutschland zu belasten. Mit Lügen unser Volk vor der Welt in eine schiefe Lage zu bringen.

Wels eigene Argumentation bzgl. der Kritik, auf die sich Hitler bezog, lautete folgendermaßen:

  • Kritik ist heilsam und notwendig. Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht,
  • (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)
  • und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll. Eine solche Allmacht der Regierung muß sich um so schwerer auswirken, als auch die Presse jeder Bewegungsfreiheit entbehrt.
  • Meine Damen und Herren! Die Zustände, die heute in Deutschland herrschen, werden vielfach in krassen Farben geschildert. Wie immer in solchen Fällen fehlt es auch nicht an Übertreibungen. Was meine Partei betrifft, so erkläre ich hier: wir haben weder in Paris um Intervention gebeten, noch Millionen nach Prag verschoben, noch übertreibende Nachrichten ins Ausland gebracht.
  • (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)
  • Solchen Übertreibungen entgegenzutreten wäre leichter, wenn im Inlande eine Berichterstattung möglich wäre, die Wahres vom Falschen scheidet.
  • (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)
  • Noch besser wäre es, wenn wir mit gutem Gewissen bezeugen könnten, daß die volle Rechtssicherheit für alle wiederhergestellt sei.
  • (Erneute lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)
  • Das, meine Herren, liegt bei Ihnen. (Quelle LeMO, Lebendiges Virtuelles Museum Online)
  • Hitler unterstellt Wels Absichten, die dieser in seiner Rede keineswegs verkündet hat, beispielsweise, daß Wels die Unwahrheit beklagt, „jeden Tag würden so an den israelitischen Friedhöfen in Berlin zerstückelte Leichname abgeliefert.“ – Hier handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, die vermutlich so oder so ähnlich in einer nicht unter Nazi-Kontrolle stehenden Presse in Österreich oder im Saargebiet veröffentlich wurde, die Hitler offenbar stört, da sie das Bild seiner Bewegung im Ausland diskreditiert. Ausgerechnet Wels soll nun diese angebliche Unwahrheit (und zwar lediglich im Ausland) richtig stellen. Dabei plädierte Wels für Pressefreiheit innerhalb Deutschlands, um Behauptungen schon vor Ort korrigieren zu können, falls sie sich als Übertreibungen herausstellen. – Aber was noch viel interessanter ist, als jene rhetorischen Tiraden Hitlers gegen Wels, daß nämlich das sozialdemokratische Blatt im Saargebiet, das offenbar  über den Nazi-Terror im Reich berichtete, von Reichskanzler Hitler des „Landesverrats an Deutschland“ bezichtigt wird. Landesverrat im Sinne Hitlers ist es folglich, wenn man über den Nazi-Terror in Deutschland berichtet. Was ja auch paßt, da Landesverrat begeht, wer ein Staatsgeheimnis einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder sonst an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, um Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen. (Quelle: Wikipedia). D.h. der Nazi-Terror in Deutschland hat ein Staatsgeheimnis zu sein. Dabei wird jedoch unterstellt, daß die zur Macht gekommene nationalsozialistische Bewegung (mitsamt ihrem Terror) identisch ist mit Deutschland bzw. dem deutschen Staat. Man hat hier wieder den Argumentationstrick der falschen Identifizierung vor sich, mit dem Hitler seine Anhänger - offenbar erfolgreich – überzeugen kann. Auf diese Weise wird also die berechtigte Kritik am Nazi-Terror nicht nur einfach quasi ungeschehen gemacht (da sie von den falschen Leuten kommt) sondern auch noch geradewegs als Landesverrat diskreditiert bzw. durch die neuen Machthaber kriminalisiert.

 

 

Haltlose Hitler-Argumentationen (3)

 

3a - Hitler spricht - Sportpalast 03.10.1941 (Winterhilfswerk) - 1. Teil

 

In dem ersten Teil dieser Rede rechtfertigt Hitler zwei seiner schwerwiegendsten Entscheidungen. Erstens den Krieg mit England, zweitens den Krieg mit Rußland.

 

Zunächst Hitlers Kriegsbegründung bezüglich England:

 

Ab 10.00 Min bis 13.52 Min

 

  • Auch zu Japan wurden unsere Beziehungen immer besser. In Europa hatten wir außerdem von früher her eine Reihe von Völkern und Staaten, die uns in einer immer gleichbleibenden Sympathie und Freundschaft gegenüberstanden. Vor allem hier Ungarn, einige nordische Staaten. Es sind zu diesen Völkern andere hinzugekommen, leider das Volk nicht, um das ich am meisten geworben habe in meinem Leben, das britische. Nicht daß etwa das englische Volk vielleicht dafür allein die Verantwortung trägt in seiner Gesamtheit. Im Gegenteil. Es sind einige Menschen, die in ihrem verbohrten Haß, in ihrem Wahnwitz jeden solchen Versuch einer Verständigung sabotierten. Unterstützt von jenem internationalen Weltfeind, den wir alle kennen, dem internationalen Judentum. So gelang es leider nicht, Großbritannien, vor allem das englische Volk mit dem deutschen in jene Verbindung zu bringen, die ich immer erhofft hatte. So kam eben, genau wie 1914 der Augenblick, da die harte Entscheidung getroffen werden mußte. Ich habe auch davor dann allerdings nicht zurückgeschreckt. Denn über eines war ich mir im Klaren: Wenn es eben nicht gelingen konnte, die englische Freundschaft zu bekommen, dann war es besser die Feindschaft traf Deutschland in dem Augenblick, in dem ich selber noch an der Führung des Reiches stand. Denn wenn durch meine Maßnahmen und durch mein Entgegenkommen diese englische Freundschaft nicht zu erwerben war, dann war sie für alle Zukunft nicht zu erwerben. Dann blieb nichts anderes übrig als der Kampf. Dann aber bin ich dem Schicksal [1 Wort unverständlich] dankbar, wenn dieser Kampf von mir geführt werden kann [Beifall]. Ich bin daher auch der Überzeugung, daß es mit all diesen Männern wirklich keine Verständigung gibt. Es sind das Wahnsinnige, Narren, Leute die seit 10 Jahren kein anderes Wort kannten als nur eines: wir wollen wieder einen Krieg mit Deutschland. In Monaten, in denen ich mich bemühte, eine Verständigung herbeizuführen, da hatte dieser Churchill nur immer einen Ruf „Ich will einen Krieg haben“ [einhelliges Pfui]. Er hat ihn jetzt [Beifall]. Und alle seine Mithetzer, die nichts anderes zu sagen wußten, als daß das ein reizender Krieg sein wird, die sich gegenseitig damals am 1. September 1939 beglückwünschten zu diesem kommenden reizenden Krieg, sie werden jetzt unterdes vielleicht schon über diesen reizenden Krieg anders denken [Beifall]. Und wenn sie jetzt noch nicht wissen sollten, daß dieser Krieg für England keine reizende Sache wird, so werden sie’s mit der Zeit doch merken, so wahr ich hier steh [langanhaltender Beifall]. Diese Hetzer haben es damals fertiggebracht, Polen vorzuschieben.

Ab 14.32 Min bis 15.03 Min

 

  • Diese Verschwörung von Demokraten, Juden und Freimaurern hat es damals fertiggebracht vor zwei Jahren, zunächst Europa in den Krieg zu stürzen. Es mußten also die Waffen entscheiden. Seitdem nun findet ein Kampf statt zwischen der Wahrheit und der Lüge. Und wie immer wird dieser Kampf für die Wahrheit am Ende siegreich ausgehen. [Schwacher Beifall].

 

Kritischer Kommentar zu diesen Zitaten:

 

„Wenn es eben nicht gelingen konnte, die englische Freundschaft zu bekommen, dann war es besser die Feindschaft traf Deutschland...“. Für Hitler gibt es nur die Alternative Freundschaft oder Feindschaft. Wieso nichts dazwischen? Es scheint ihm allerdings klar zu sein, daß ein Krieg so schwerwiegend ist, daß er durch eine zurückgewiesene Freundschaft noch nicht zu rechtfertigen ist. Deshalb muß Hitler zur schlicht unwahren Behauptung greifen „Es sind das Wahnsinnige, Narren, Leute die seit 10 Jahren kein anderes Wort kannten als nur eines: wir wollen wieder einen Krieg mit Deutschland.“  Diese Unterstellung ist schon allein deswegen unglaubwürdig, da England sehr schlecht gerüstet gewesen wäre – und schließlich auch tatsächlich war -  für einen solchen Krieg. Im Gegensatz zu Deutschland, das sich seit 1933 systematisch bewaffnete. Und man konnte schon damals 1939 oder 1941, den Schriftsteller, Historiker, Militärfachmann und langjährigen Politiker in den verschiedensten Ministerämtern, den späteren Nobelpreisträger Churchill, schwerlich als Wahnsinnigen oder Narren bezeichnen, ohne sich selbst dabei zu blamieren. Außerdem war es ja nicht Churchill, der die Garantieerklärung für Polen abgab (Churchill wurde erst 1940 Premierminister), sondern der Appeasement-Politiker Chamberlain, der sich durch die Besetzung Prags und die Gründung des Protektorats Böhmen und Mähren nach dem Münchener Abkommen von Hitler düpiert fühlte. Daß Churchill schon bei der Rheinlandbesetzung diesem gefährlichen Bruch der Versailler Bestimmungen militärisch begegnen wollte (er war damals, als Warner vor der neuen deutschen Gefahr, in England allerdings politisch kaltgestellt), heißt noch nicht, daß er deswegen nur eines wollte: einen Krieg mit Deutschland (eher im Gegenteil!). Schließlich greift Hitler zur typischen Verschwörungstheorie, die sich nach dem verlorenen 1.Weltkrieg in Deutschland - als Ursachenerklärung des 1.Weltkriegs -  ausbreitete und wendet diese nun auf den 2.Weltkrieg an: Demokraten, Juden und Freimaurer haben 1939 diesen Krieg angezettelt. Das ist allerdings eine sehr diffuse Behauptung ohne Versuch einer Beweisführung, die diesem hochernsten Thema Krieg angemessen wäre. In gewisser Hinsicht gibt Hitler andererseits selber zu, wie stark voluntaristisch der Kriegseintritt von ihm abhing: „Denn wenn durch meine Maßnahmen und durch mein Entgegenkommen diese englische Freundschaft nicht zu erwerben war, dann war sie für alle Zukunft nicht zu erwerben. Dann blieb nichts anderes übrig als der Kampf. Dann aber bin ich dem Schicksal dankbar, wenn dieser Kampf von mir geführt werden kann.“ – In diesem Satz steckt nicht nur der Ausdruck einer maßlosen Selbstüberschätzung sondern auch die groteske, weil durch nichts zu substantiierende, Behauptung: daß für alle Zukunft die englische Freundschaft nicht erworben werden kann, wenn schon der große Führer sich daran die Zähne ausgebissen hat. – Und wieso deswegen (selbst wenn es stimmen würde) nichts anderes übrig bleibt als der Kampf,  ist ebenfalls nicht logisch nachvollziehbar. Wenn Hitler ernsthaft gewollt hätte, dann wäre – wie sich wegen dieser doch ziemlich schwachen Ausführungen Hitlers zu Recht annehmen läßt - wahrscheinlich auch noch was anderes übrig geblieben als der Kampf.

 

Die Haltlosigkeit der Argumentationen liegt hier erstens hauptsächlich in der künstlich eingeschränkten Fallunterscheidung: entweder Freundschaft oder Krieg. Daß es dazwischen noch ein breites Spektrum an Möglichkeiten gibt, fällt damit unter den Tisch. Die zweite haltlose Argumentation ist der ersten untergeordnet. Sie besteht aus der unwahren Behauptung, daß die Politiker Englands sowieso den Krieg gegen Deutschland schon lange beabsichtigten und gipfelt in einer bizarren Verschwörungstheorie ohne Beweisführung. Denn unter dieser Voraussetzung braucht man sich ja nicht mehr um einen dritten Weg zwischen Freundschaft und Krieg zu bemühen.

 

 

Hitlers Kriegsbegründung bzgl. Rußland:

 

ab 23.10 Min bis 23.54 Min

 

  • Ich habe nunmehr [nach dem Besuch Molotows in Berlin, 12.11.1940; Anm.Verf.] Rußland sorgfältigst beobachtet. Jede Division, die wir feststellen konnten wurde bei uns gewissenhaft eingetragen und durch Gegenmaßnahmen pflichtgemäß beantwortet. [Bravo und Beifall]. Die Lage war bereits im Mai soweit gediehen, daß es keine Zweifel mehr darüber geben konnte, daß Rußland die Absicht hatte, bei der ersten Gelegenheit über uns herzufallen. Und gegen Ende Mai verdichteten sich diese Momente so, daß man nunmehr den Gedanken einer Auseinandersetzung auf Leben und Tod nicht mehr von sich weisen konnte.

Ab 25.26 Min bis 26.07 Min

 

  • Ich habe deshalb hier auch in dem Augenblick noch geschwiegen, in dem ich mich endgültig entschloß nunmehr selber den ersten Schritt zu tun. Denn wenn ich schon einmal seh, daß ein Gegner das Gewehr allmählich anlegt, dann werde ich nicht warten bis er abzieht, sondern dann bin ich entschlossen, lieber selber vorher abzuziehen. [Langer Beifall].

Gesetzt den Fall die Truppenaufmärsche etc. seitens der Sowjetunion an ihrer Westgrenze seien tatsächlich sehr hoch gewesen. So ist dies ja noch kein triftiger Beweis dafür, daß tatsächlich ein Angriff auf Deutschland geplant war bzw. definitiv bevorstand. Dies wäre erst durch den tatsächlichen Angriff endgültig bewiesen – gleichgültig unter welcher offiziellen Begründung. Da der Vormarsch der deutschen Truppen in Rußland bis Oktober 1941, als diese Winterhilfsrede gehalten wurde, lt. Hitler „planmäßig“ verlief, hätte die deutsche Armee sicherlich Kraft genug gehabt einem sowjetischen Vorstoß auf Deutschland 1941 zu widerstehen. Das hätte den Vorteil gehabt, daß sich die deutsche Führung innenpolitisch und außenpolitisch bei ihren Gegenmaßnahmen im Recht fühlen konnte. So wie Hitler die Sache darstellt, d.h. selbst in seiner eigenen Version, ist die Angelegenheit ziemlich dubios. Es konnte sich genausogut auch anders herum verhalten, nämlich daß er selber der eigentliche Aggressor war – was ja durch den tatsächlichen Angriff deutscherseits, den er selber zugibt, am Ehesten naheliegt.

 

Interessant ist der Höhepunkt seiner Begründung: das Bild vom Gegner, der ein Gewehr auf mich anlegt. Diese Analogie ist ziemlich schief. Erstens war durch nichts eindeutig klar, daß nach dem Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion 1939, diese nun tatsächlich ein (Kriegs-) Gegner sei. Hierin ist die Analogie fragwürdig. Zweitens bin ‚Ich’ in der Einzahl. Und wenn ich getroffen werde, so bin ich damit ausgeschaltet. Die deutsche Armee ist aber nicht in der Einzahl sondern bestand aus Millionen von Soldaten. Wenn davon etliche durch eine Kriegshandlung getroffen werden, so ist damit noch nicht die gesamte Armee ausgeschaltet. Es bleiben noch eine Menge flexible Möglichkeiten der Defensive, vor allem wenn man so stark ist, wie die deutsche Armee es damals war. Hierin also ist die Analogie falsch.

 

Hitler gelingt es nicht, argumentativ überzeugend, naheliegende Zweifel an seiner Darstellung aufzulösen. Er macht sich nicht im Geringsten die Mühe, auf etwaige Gegenargumente, die doch sozusagen in der Luft liegen, einzugehen. Das macht seine Ausführungen einseitig-zweckgefärbt, weil sie sich nicht mit doch sehr einleuchtenden anderen Denkmöglichkeiten (z.B. daß er selber der eigentliche Aggressor ist) auseinandersetzen. Mit dieser Form mangelhafter Argumentation, die entscheidende und naheliegende Gegenargumente außer acht läßt, kann er seine Anhänger und vermutlich auch die Masse der Wehrmachts-Soldaten hypnotisch indoktrinieren. Einen realistisch denkenden Menschen jedoch nicht. Diesem bleiben noch jede Menge Zweifel.

 

Die Haltlosigkeit dieser Hitler’schen Argumentation, die in diesem Falle auf ihrer fundamentalen Mangelhaftigkeit beruht, gipfelt darin, daß er die durch jene Mangelhaftigkeit bloßgelegte Obskurität seines Handelns, mit Hilfe einer rhetorisch geschickten, jedoch unangemessenen d.h. fragwürdigen bzw. falschen Analogie, zu verdecken versucht.

 

 

Haltlose Hitler-Argumentationen (4)

 

4a - Hitler spricht  - 08.11.1942 - Löwenbräukeller - Teil 1

 

Das nächste Zitat handelt über die „Ausrottung des Judentums in Europa“ (ein Vorgang, der ja von manchen Neo-Nazis als ‚Auschwitzlüge’ verleugnet wird):

 

Ab 17.43 Min bis 19.09 Min

 

  • Auch eine andere Macht, die sehr gewaltig war in Deutschland, hat unterdes die Erfahrung erleben können, daß die nationalsozialistischen Prophezeiungen keine Phrasen sind. Es ist die Hauptmacht, der wir all dieses Unglück verdanken: das internationale Judentum. Sie werden sich noch erinnern an die Reichstagssitzung, in der ich erklärte, wenn das Judentum sich etwa einbildet, einen internationalen Weltkrieg zur Ausrottung der europäischen Rassen herbeiführen zu können, dann wird das Ergebnis nicht die Ausrottung der europäischen Rassen sondern die Ausrottung des Judentums in Europa sein [Beifall]. [Hitler bezieht sich auf eine Rede vom 30. Jan. 1939; Anm. Verf.]. Sie haben mich immer als Prophet ausgelacht. Von denen, die damals lachten, lachen heute unzählige nicht mehr. [Gelächter]. Die jetzt noch lachen, werden in einiger Zeit vielleicht auch nicht mehr lachen. [Beifall]. Diese Welle wird sich über Europa hinaus über die ganze Welt verbreiten. Das internationale Judentum wird in seiner ganzen dämonischen Gefahr erkannt werden. Wir Nationalsozialisten werden dafür sorgen. In Europa ist diese Gefahr erkannt und Staat um Staat schließt sich unseren Gesetzgebungen an.

Hitler hat unterschiedliche Varianten auf Lager, was nun das eigentlich Böse -  oder mit dem Bösen verwandt - ist:

  • Der Bolschewismus, die Gefahr des Untermenschentums aus dem Osten.
  • Der Kapitalismus, der die Menschen ausbeutet und mißachtet.
  • Das Finanzkapital.
  • Die Demokraten.
  • Die Freimaurer.
  • Die bürgerliche Welt, das an sein historisches Ende gekommene Bürgertum. (Dieser Punkt wird von Hitler allerdings erst 1945 thematisiert).
  • Der Marxismus.
  • Das Judentum.
  • Das Judentum bildet manchmal die Klammer für alles, manchmal steht auch irgendeine dieser bösen bzw. vom Judentum benutzten oder gesteuerten Mächte für sich da. Manchmal ist die eine oder andere der oben angeführten Mächte verschwistert oder gar identisch mit dem Judentum: z.B. die „Kreml-Juden“. Wobei – nebenbei gesagt - bisher kein ernst zu nehmender Mensch behauptet hat, daß die Mitglieder des Politbüros Stalin, Molotow, Berija, Chruschtschow usw. Juden gewesen seien.

 

Was folgt daraus? Daß Hitler offenbar keineswegs die Klarheit und das Wissen über die Juden besitzt, das er in dem obigen Zitat wie selbstverständlich behauptet. Z.B. gibt es in Hitlers Ausführungen keinerlei Andeutung eines Beweises dafür, daß die Juden (auch) diesen Weltkrieg angezettelt haben. Und zwar mit dem Ziel, die europäischen Rassen auszurotten. In den antisemitischen Vorstellungen der frühen Weimarer Zeit ging es den Juden zwar auch um Anzettelung des 1. Weltkriegs (vgl. paradigmatisch dazu:  Politisch=Anthropologische Monatsschrift XIX. 3, 1920, Artikel „Die Weltkrankheit“, verfaßt vom Herausgeber Dr. Schmidt-Eibichenfels, S.108) aber dabei ging es als Endziel lediglich um Ausbeutung, Zersetzung und allmähliche Zerstörung der Wirtsvölker (a.a.O. S.107), wozu die Juden Demokratie („Freiheitsseuche“, a.a.O. S.97) und Marxismus (staatsfeindliche Revolution) als Hebel benutzen würden. Auch 1920 handelte es sich lediglich um Verdächtigungen ohne haltbare Beweise. In dieser damaligen Sichtweise brachten die Juden (als Seuchenbazillen oder Parasiten – der Autor Schmidt-Eibichenfels kann sich offenbar nicht richtig entscheiden) die „Nationen“ bzw. die „Wirtsvölker“ zum allmählichen Absterben (a.a.O. S.106).  Jetzt plötzlich wollen die Juden per definitiver Absicht mit Hilfe des neuen Weltkrieges die europäischen „Rassen“ lt. Hitler (sofort) „ausrotten“. Wie kommt Hitler zu der neuen Einschätzung gegenüber der frühweimarerischen Antisemiten-Ansicht, der ja ebenfalls jeder Hauch eines Beweises fehlte? - Aufgrund dieser neuerlichen gesteigerten Verdächtigung ohne Beweis soll nun im Gegenzug das Judentum in Europa „ausgerottet“ werden – und es wurde seit 1941 tatsächlich großenteils vernichtet von Hitlers Schergen – um Hitlers eigene Prophezeiung zu erfüllen.

 

Die Haltlosigkeit der Hitlerschen Argumentationen bezüglich der Juden besteht in übelsten Verdächtigungen ohne haltbaren Beweis – analog den Hexenverfolgungen seit dem 15. Jhdt. So wie die wirklichen Verbrecher bei den Hexenverfolgungen die kirchlichen Verfolger selber waren, so waren auch Hitler und seine nationalsozialistischen Schergen bei der Erfüllung der obigen Hitler’schen Prophezeiung die wirklichen Verbrecher.

 

 

Einen großen Teil der Löwenbräu-Rede am 8.11.1942 nimmt das Kriegsgeschehen in Rußland ein.  Also 10 Tage (19. Nov. 1942) vor Angriff der sowjetischen Truppen zur Umfassung der von der 6. deutschen Armee besetzten Stadt Stalingrad, und damit, nach üblicher Ansicht, Beginn der Niederlage Deutschlands im Krieg gegen die Sowjetunion.

 

Ab 23.01 Min bis 26.33 Min

 

  • Es kommt kein Schiff mehr die Wolga hoch. [Dies bezieht sich auf Stalingrad; Anm.Verf.]. Das ist das Entscheidende. [Starker, langer Beifall]. Sie [Journalisten der englischen Presse; Anm.Verf.] haben uns auch den Vorwurf gemacht, warum wir bei Sewastopol so lange brauchten. Weil wir auch dort nicht ein gigantisches Massenmorden ansetzen wollten. Es fließt auch so noch Blut mehr als genügend. Aber Sewastopol ist doch in unsere Hand gefallen. Und die Krim ist in unsere Hand gefallen. Und wir werden Ziel um Ziel zäh, beharrlich erreichen. Und wenn nun der Gegner seinerseits Anstalten macht anzugreifen, glauben Sie nur nicht, daß ich ihm dann zuvorkommen will. Sondern im selben Augenblick lassen wir ihn auch angreifen. Denn die Verteidigung ist dann immer noch billiger. Er soll ruhig dann angreifen. Er wird sich dabei schwer ausbluten – und wir haben dies ja das noch immer korrigiert. Jedenfalls steht doch nicht der Russe an den Pyrenäen oder vor Sevilla, das ist nämlich die selbe Entfernung wie wir heute etwa in Stalingrad oder sagen wir am Terek [kaukasischer Fluß; Anm.Verf.], sondern wir stehen doch dort. Das kann doch endlich nicht bestritten werden. Das ist doch eine Tatsache. Wenn es natürlich gar nicht mehr anders geht, da sagt man auch, daß das ein Fehler ist. Dann schlägt man plötzlich wieder um und sagt: es ist überhaupt ein Fehler, daß die Deutschen nach Kirkenes [Nord-Norwegen; Anm.Verf.] gegangen sind, oder daß sie nach Narvik gegangen sind, oder daß sie jetzt [2 Worte unverständlich] nach Stalin – was wollen sie in Stalingrad? Ausgerechnet Stalingrad, ein kapitaler Fehler das, ein-ein strategischer Fehler. Das wollen wir mal abwarten, ob das ein strategischer Fehler war [beifälliges Lachen]. Wir merken das schon an sehr vielen Anzeichen, ob es so ein großer Fehler, daß wir die Ukraine besetzten, daß wir (em-e) das Erzgebiet von Kriwoi-Rog besetzten, daß wir die Mangan-Erze in unsere Hand brachten. Ob es wirklich so ein großer Fehler war (wir) das Kuban-Gebiet, diese größte Kornkammer vielleicht der Welt überhaupt in unsere Hand brachten. [Hier verwechselt Hitler offenbar irgendwas. Kuban liegt am Kaukasus und ist keine Kornkammer; Anm.Verf.]. Ob es ein Fehler war, daß wir – ich darf wohl ruhig sagen – vier Fünftel oder fünf Sechstel aller seiner Raffinerien jetzt zerstörten oder in unseren Besitz gebracht haben. Daß wir allein (em-ne) zunächst einmal in unsere Hand beziehungsweise vollkommen stillgelegt eine Produktion von 9 oder 10 Millionen Tonnen Öl haben. Daß wir eine(n) weiteren Transport von vielleicht 7, 8 oder 9 Mill Tonnen (im) über die Wolga abgeschnitten haben und was wir noch alles (auf e) da zu tun gedenken. Ob das alles wirklich so fehlerhaft war, das werden wir ja mal sehen.

Im Vergleich mit dem Schachspiel könnte man Hitlers strategische Vorgehensweise als vorrangiges Trachten nach Figurengewinn ansehen ohne dabei auch auf die Position das Augenmerk zu richten - also die typische Verhaltensweise eines Anfängers. - Wieder einmal merkt man die theoretische Borniertheit Hitlers; in diesem Falle in Fragen der militärischen Strategie.

  • Ich weiß nun wirklich nicht, wenn es den Engländern gelungen wäre uns das Ruhrgebiet zu nehmen oder den Rhein dazu und dann noch die Donau und noch die Elbe (das ist) und dann noch Oberschlesien, das ist ungefähr das Donez-Gebiet und das ist das Kriwoi-Roger Erzgebiet und das Kersch-Erzgebiet [unklar, was mit „Kersch“ gemeint ist – doch nicht etwa die Halbinsel Kertsch auf der Krim? Anm.Verf.]. Und wenn sie dann noch einen Teil unserer Petroleum (äh) –Quellen bekommen hätten, und wenn sie noch die Magdeburger Börde bekommen hätten, ob sie dann auch sagen würden, einen großen Fehler haben wir gemacht, daß wir den Deutschen diese Sachen weggenommen haben. Das war ein operativer Fehler. [Beifall].

 

Die Entsprechung zu den Engländern, wenn dieselben entscheidende Teile, vor allem die Rüstungszentren Deutschlands erobert hätten, klingt zwar bestechend und wird deswegen mit Beifall seines ihm ergebenen Publikums honoriert, ist aber falsch. Denn die sowjetischen Industriezentren bestanden ab 1942 nicht mehr nur im wesentlichen aus den von den Deutschen eroberten. Vielmehr – was Hitler offenbar beharrlich ignorierte – gab es etwa am Ural ganz neue Industriezentren, die die Waffen beispielsweise für die (baldige) Offensive in Stalingrad lieferten – insbesondere die überlegenen T-34 Panzer, aber natürlich auch Geschütze, Flugzeuge usw. Hitler war immer wieder neu der Ansicht, daß die Russen am Ende seien – bis 1945. Das Gegenteil war jedoch der Fall.

 

Die Haltlosigkeit der Argumentation des obigen Vergleichs mit den Engländern, wenn es ihnen gelungen wäre..., liegt hierbei wieder einmal in einer falschen Analogie – allerdings einer, an die Hitler in diesem Falle, meinem historischen Wissen nach, tatsächlich selbst glaubte.

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Überhaupt ist natürlich bei all diesen von mir aufgeführten haltlosen Argumentationen Hitlers die philosophische – auch psychologische – Frage: Was glaubte er wirklich selber, was täuschte er nur vor? – Selbstverständlich tauchen noch eine Menge mehr Fragen auf, die aber den Rahmen der von mir hier dargelegten, eng begrenzten Analysen sprengen würden.

 

 

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Hier geht’s zu: ideologische Argumentation - empirische Übung-2Analyse eines FemDisk-Textes gegen Daniel Cohn-Bendit

 

 

 

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